Aktuelles

16.11.2005

Europarechtswidrige Bereitschaftsdienstregelungen des BAT : Verlängerung des § 25 Arbeitszeitgesetz geplant

Der aktuell vorgelegte  Koalitionsvertrag vom 11.11.2005.pdf von CDU, CSU und SPD sieht neben Änderungen im Kündigungsschutz – und Befristungsrecht auch eine Verlängerung der zum 31.12.2005 auslaufenden Übergangsregelung des § 25 Arbeitszeitgesetz vor. Nach dem Willen der Parteien soll den Tarifpartnern nunmehr bis zum 31.12.2006 Zeit gegeben werden, um eine Anpassung ihrer tariflichen Regelungen an die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zum Bereitschaftsdienst und das geänderte Arbeitszeitgesetz vorzunehmen. Die europarechtswidrigen Bereitschaftsdienstregelungen des BAT könnten damit auch noch im kommenden Jahr zur Anwendung gelangen, was insbesondere der Diskussion um die Einsetzbarkeit der im Marburger Bund organisierten Ärzte ab dem 1.1.2006 zunächst die Schärfe nehmen würde.
 
Der europäische Gerichtshof hatte auf Vorlage eines bundesdeutschen Arbeitsgerichts im Jahr 2002 entschieden, dass Bereitschaftsdienstzeiten unabhängig von der Frage der tatsächlichen Einsatz-Inanspruchnahme in ihrer Gänze als Arbeitszeit zu werten sind.  Nach dem damals geltenden deutschen Arbeitszeitgesetz hingegen waren nur tatsächliche Einsätze während eines Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit zu werten, nicht jedoch die „inaktiven“ Warte- und Ruhephasen. Nach Auffassung der europäischen Richter verstößt eine derartige Regelung gegen die europäische Arbeitszeitrichtlinie. Der deutsche Gesetzgeber passte daraufhin das Arbeitszeitgesetz zum 1.1.2004 an die europarechtlichen Vorgaben an: Bereitschaftsdienst zählt seitdem auch national insgesamt zur Arbeitszeit. Die Anpassung hatte insbesondere im Krankenhausbereich gravierende Auswirkungen: durch die Ausweitung der Arbeitszeitberechnung überschritten fast alle Bereitschaftsdienstmodelle die nach dem ArbZG maximal zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Zwar lässt das Arbeitszeitgesetz durch Öffnungsklauseln Abweichungsmöglichkeiten von der Begrenzung auf 48 Stunden unter bestimmten Voraussetzungen zu, dies kann jedoch nur durch neue Tarifverträge, die diesen Anforderungen entsprechen, wirksam vereinbart werden. Die Regelungen des BAT zum Bereitschaftsdienst erfüllen diese Tatbestandsvoraussetzungen hingegen nicht.
 
Um die Tarifvertragsparteien nicht unter einen nicht zu erfüllenden Zeitdruck zu setzten, hat der Gesetzgeber für alte Tarifregelungen wie die des BAT in § 25 ArbZG eine Übergangsregelung geschaffen, nach der die europarechtswidrigen Tarifvereinbarungen noch bis zum 31.12.2005 wirksam sind. Ab dem 01.01.2006 würden die Vorgaben des ArbZG danach in ihrer gesamten Schärfe durchgreifen: Bereiche, die ab dem 1.1.2006 nicht unter den Anwendungsbereich eines neuen europarechts-konformen Tarifvertrages (wie z.B. den TVöD) fallen, würden ausschließlich von den Grenzen des ArbZG erfasst werden – mit der Folge eines erheblichen zusätzlichen Personalbedarfs und der Einführung von Schichtmodellen.
 
 
Die europarechtliche Arbeitszeitrichtlinie ist von vielen Seiten stark kritisiert worden. Die Kommission hat bereits Anfang 2005 eine Änderungsrichtlinie vorgelegt, nach der die inaktive Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht grundsätzlich zur Arbeitszeit zu zählen ist, sondern die Mitgliedsstaaten aufgrund einer Öffnungsklauseln selbst entscheiden sollen, ob sie auch die inaktive Bereitschaftszeit als Arbeitszeit werten wollen oder nicht.  Eine Entscheidung diesbezüglich ist nicht vor Mitte 2006 zu erwarten.
 
Unabhängig vom europäischen Verfahren hat das Bundesland Bayern in den Bundesrat einen Antrag eingebracht, der zumindest eine Verlängerung der in § 25 ArbZG enthaltenen Übergangsfrist um weitere zwei Jahre vorsieht. Der Antrag wurde am 10. November 2005 beraten und fand Zustimmung. Der Gesetzesentwurf wird nun in Kürze dem Bundestag zugeleitet.  Sollte es erst im Januar 2006 zu einer abschließenden Beratung kommen, ist auch eine rückwirkende Inkraftsetzung der Verlängerung zum 1.1.2006 denkbar.
 
Nunmehr hat auch die große Koalition von CDU, CSU und SPD eine Verlängerung der Übergangsfrist des § 25 ArbZG in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen – dabei handelt es sich allerdings nicht um eine zweijährige Verlängerung, sondern um eine Verlängerung bis zum 31.12.2006. Auf S. 31 des Koalitionsvertrages heißt es:
 
„Die zum 1. Januar 2006 auslaufende Übergangsregelungdes Arbeitszeitgesetzes, die den Tarifpartnern Zeit für die Anpassung ihrer Vereinbarungen an die Vorgaben des EuGH zur Bereitschaftszeit einräumt, wird um ein Jahr verlängert.“
 
Relevanz hat die Aufnahme der Verlängerung insbesondere für die Länder, die aufgrund des fehlenden Tarifabschlusses des TVöD durch die TDL weiterhin den BAT anwenden.
 
Schwierig bleibt aber weiterhin die Frage nach der Anwendung der Übergangsregelung für den unmittelbaren öffentlichen Dienst. Nach überwiegender Auffassung ist § 25 ArbZG auf den Staat als Arbeitgeber nicht anzuwenden, da die europäische Arbeitszeitrichtlinie auf den Staat unmittelbar durchschlägt. Damit würde die BAT-Regelung zum Bereitschaftsdienst in unmittelbar kommunalen Krankenhäusern z.B. unabhängig von der Übergangsregelung bereits jetzt unwirksam sein.
 

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